0:11
Das ist die Geschichte, wie ich einmal fast entführt und im Kofferraum eines roten Mazdas gelandet wäre. Einen Tag, nachdem ich mein Designstudium abgeschlossen hatte, machte ich einen Hinterhofverkauf. Ein Typ im roten Mazda blieb stehen und schaute sich meine Sachen an. Er kaufte eins meiner Kunstwerke. Er war allein in der Stadt und machte gerade einen Roadtrip durchs ganze Land. Danach würde er zum Friedenscorps gehen. Ich lud ihn auf ein Bier ein. Er erzählte mir begeistert, wie er die Welt verändern wollte.
0:49
Es wurde spät. Ich wurde müde. Während wir die Rechnung bezahlten, machte ich den Fehler ihn zu fragen: "Wo schläfst du denn heute Nacht?" Er machte die ganze Sache noch schlimmer: "Ich weiß es noch nicht." Und ich dachte: "Oh, Mann! Was mach ich jetzt?" Wer kennt die Situation nicht? Muss ich jetzt einen Schlafplatz anbieten? Aber ich hab ihn doch gerade erst kennengelernt! Er sagt zwar, er würde zum Friedenskorps gehen, aber ich weiß doch nicht, ob er das wirklich plant. Ich will nicht entführt im Kofferraum eines Mazdas landen! Das ist ein kleiner Kofferraum!
1:29
Dann hörte ich mich sagen: "Ich habe eine Luftmatratze. Du kannst in meinem Wohnzimmer schlafen." Eine Stimme in meinem Kopf sagte: "Äh, wie bitte?"
1:39
Nachts lag ich dann im Bett, ich starrte an die Decke und dachte: "Oh Mann! Was hab ich mir da eingebrockt? Ein Wildfremder schläft in meinem Wohnzimmer. Was, wenn er verrückt ist?" Ich bekam eine solche Angst, dass ich aus dem Bett stieg, auf Zehenspitzen zur Tür schlich, und meine Schlafzimmertür abschloss.
2:03
Aber er war gar nicht verrückt. Wir sind immer noch in Kontakt. Das Kunstwerk, das er von mir gekauft hatte, hängt heute in seinem Klassenzimmer. Er ist jetzt Lehrer.
2:13
Das war meine erste Erfahrung als Gastgeber. Es hat meinen Blickwinkel komplett verändert. Vielleicht waren die Menschen, die mir in der Kindheit als Fremde verkauft wurden, eigentlich Freunde, die nur darauf warteten, entdeckt zu werden? Menschen auf meiner Luftmatratze zu beherbergen, wurde normal für mich. Als ich nach San Francisco zog, nahm ich die Luftmatratze mit.
2:36
Machen wir einen Zeitsprung, zwei Jahre später... Ich bin arbeitslos, fast pleite, mein Mitbewohner zieht aus und die Miete wird erhöht. Ich erfuhr, dass es zu jener Zeit eine Design-Konferenz in der Stadt gab. Alle Hotels waren ausgebucht. Ich glaube, Kreativität kann es schaffen, Angst in Spaß zu verwandeln.
2:55
Ich schrieb meinem besten Freund und neuen Mitbewohner Brian Chesky: "Brian, ich hab überlegt, wie wir etwas dazu verdienen könnten. Unsere Wohnung wird zu einem Designer-Bed-and-Breakfast. Junge Designer können bei uns übernachten, WLAN und ein Schreibtisch inklusive, dazu eine Matratze und jeden Morgen Frühstück. Ha!"
3:14
Wir erstellten eine Website und gründeten so "Luftmatratze und Frühstück" [AIRBed aNd Breakfast = Airbnb]. Drei glückliche Gäste durften bei uns für 20 Dollar auf der Luftmatratze auf Holzfußboden schlafen. Sie fanden es super, und wir auch. Ich bin mir sicher, unsere Käse-Schinken-Omeletts schmeckten komplett anders, weil wir sie für unsere Gäste machten. Wir tourten mit ihnen durch die ganze Stadt. Als wir unseren letzten Gast verabschiedeten und die Tür ins Schloss fiel, starrten Brian und ich uns an. Hatten wir gerade entdeckt, dass wir gleichzeitig neue Freunde finden und unsere Miete bezahlen konnten?
3:51
Die Dinge kamen ins Rollen. Mein ehemaliger Mitbewohner, Nate Blecharczyk, schloss sich uns als Entwickler an. Wir wollten herausfinden, ob man daraus ein Geschäftskonzept machen könnte.
4:02
So präsentierten wir uns den Investoren: "Wir möchten eine Website erstellen, auf der Leute öffentlich Bilder von ihren Privaträumen posten, ihren Schlafzimmern, ihren Bädern -- die Art Zimmer, deren Türen man schließt, wenn Besuch vorbei kommt. Über das Internet können sie dann wildfremde Menschen dazu einladen, bei ihnen zu übernachten. Das wird das nächste große Ding!"
4:24
(Lachen)
4:26
Wir warteten, dass die Rakete zünden würde. Tat sie aber nicht. Niemand, der noch ganz bei Trost ist, würde in ein Geschäft investieren, das Fremden erlaubt, in Wohnungen anderer Leute zu schlafen. Warum? Weil wir als Kinder alle gelernt haben, dass Fremde gefährlich sind.
4:45
Wenn man ein Problem hat, besinnt man sich auf die Dinge, die man gut kann. Wir konnten designen. An der Kunstakademie hatten wir gelernt, dass Design viel mehr ist als nur Aussehen und Haptik -- es ist das Gesamterlebnis. Wir hatten gelernt, wie man Objekte designt, aber jetzt wollten wir durch Design immenses Vertrauen schaffen, zwischen Menschen, die sich nie zuvor getroffen hatten. Kann Design so etwas leisten? Ist es möglich, mit Design Vertrauen zu schaffen?
5:14
Ich möchte Ihnen eine Kostprobe geben, welchen Grad Vertrauen wir anstrebten. Es ist ein 30-Sekunden-Experiment. Es wird Sie aus Ihrer Komfortzone heraus zwingen. Daumen hoch, wenn Sie bereit sind. Nehmen Sie Ihr Handy in die Hand. Jetzt möchte ich gerne, dass Sie Ihr Handy entsperren. Geben Sie Ihr entsperrtes Handy Ihrem linken Sitznachbarn.
5:48
(Lachen)
6:00
Dieser leise Anflug von Panik, den Sie jetzt spüren --
6:03
(Lachen) --
6:05
ist genau das, was Gastgeber spüren, wenn sie das erste Mal die Tür öffnen. Denn das einzige, was noch persönlicher als Ihr Handy ist, ist Ihr Zuhause. Besucher können nicht nur Ihre SMS lesen, sie sehen Ihr Schlafzimmer, Ihre Küche, Ihre Toilette.
6:20
Wie fühlt es sich an, das entsperrte Handy eines Fremden in den Händen zu halten? Die meisten spüren die Verantwortung. So fühlen sich auch die meisten Gäste, wenn sie woanders übernachten. Nur aus diesem Grund kann unser Unternehmen existieren. Nur mal so, wer hat jetzt eigentlich Al Gores Handy?
6:38
(Lachen)
6:41
Könnten Sie bitte auf Twitter verkünden, dass er für das Amt des Präsidenten kandidiert?
6:45
(Lachen)
6:46
(Applaus)
6:54
Sie können die Handys jetzt zurückgeben.
7:02
Sie haben jetzt erlebt, welche Art Vertrauen wir aufbauen wollen. Ich möchte Ihnen von einigen Entdeckungen erzählen. Was wäre, wenn wir ein kleines Detail an diesem Experiment geändert hätten? Was, wenn sich Ihr Nachbar erst einmal mit seinem Namen vorgestellt hätte; wenn er erzählt hätte, woher er kommt, wie sein Hund oder seine Kinder heißen? Stellen Sie sich vor, Sie hätten 150 Beurteilungen, die alle sagen: "Er kann wirklich sehr gut entsperrte Handys festhalten!"
7:28
(Lachen)
7:33
Wie würden Sie sich dann fühlen, wenn Sie Ihr Handy abgeben müssten?
7:39
Denn ein gut durchdachtes Feedback-System stärkt das Vertrauen entscheidend. Am Anfang haben wir noch einige Dinge falsch gemacht. Es war schwer für die Leute, negative Beurteilungen abzugeben. Letztlich entschieden wir uns zu warten, bis sowohl Gastgeber als auch Gast ihre Beurteilungen abgegeben hatten, bevor wir sie online stellten.
7:58
Letzte Woche haben wir etwas Neues entdeckt. Wir haben mit Stanford eine Studie durchgeführt. Wir untersuchten, wie wahrscheinlich es ist, dass Menschen einander vertrauen, abhängig davon, wie ähnlich sie sich hinsichtlich Alter und Wohnort sind. Wenig überraschend vertrauen wir den Menschen am meisten, die uns am ähnlichsten sind. Je mehr Unterschiede wir finden, desto weniger vertrauen wir. Das ist eine natürliche soziale Voreingenommenheit. Spannend wird es, wenn man den Ruf einer Person hinzufügt -- in unserem Fall durch Beurteilungen.
8:34
Wenn man weniger als drei Beurteilungen hat, ändert sich nichts. Hat man aber mehr als zehn, ändert sich alles. Ein guter Ruf sticht Gemeinsamkeiten aus. Das richtige Design kann uns also dabei helfen, einige unserer tief verwurzelten Vorlieben zu überwinden.
8:56
Außerdem erfuhren wir, dass Vertrauen davon abhängig ist, wie viel man von sich preisgibt. Hier sehen Sie die Reaktionen auf die erste Nachricht eines Gastes. Wenn man zu wenig erzählt, wie zum Beispiel "Hi!", bekommt man eher keine Antwort. Erzählt man zuviel, wie zum Beispiel: "Ich habe Probleme mit meiner Mutter" --
9:17
(Lachen) --
9:18
wird die Anfrage auch eher nicht angenommen. Es gibt also einen optimalen Grad an Offenheit, z. B. "Tolle Kunstwerke in deiner Wohnung! Ich mache mit meiner Familie Urlaub." Wie kann man es mit Design schaffen, diesen Grad an Offenheit herzustellen? Wir benutzen die Größe des Textfeldes, um die richtige Menge Text zu empfehlen. Wir geben außerdem Tipps, zu welchen Themen man etwas schreiben sollte.
9:40
Unser ganzes Unternehmen baut auf der Hoffnung auf, dass das richtige Design helfen kann, unsere Vorurteile gegenüber Fremden zu überwinden. Womit wir nicht gerechnet hatten, war die große Menge an Menschen, die mehr als bereit waren, diese Vorurteile abzulegen.
9:58
Hier sehen Sie, wie viele Menschen unser Angebot in Anspruch nehmen. Man kann drei Dinge erkennen. Erstens: unglaublich viel Glück. Zweitens: die unermüdliche Arbeit unseres Teams. Drittens: einen Bedarf, der vorher nicht gedeckt worden war. Für uns läuft das Geschäft gerade sehr gut.
10:20
Natürlich gibt es auch Zeiten, wenn nicht alles glatt läuft. Es gab Gäste, die unerlaubt Partys gefeiert oder Wohnungen verwüstet haben. Gastgeber haben Gäste im Regen stehen lassen. Am Anfang des Projekts habe ich im Kundenservice mitgearbeitet. Alle Anrufe kamen direkt auf mein Handy. Ich stand an vorderster Front, wenn Vertrauen gebrochen wurde. Es gibt nichts Schlimmeres als diese Anrufe. Es tut schon weh, wenn ich nur daran denke. Die Enttäuschung, die man in der Stimme der Anrufer hört, war und wird auch immer unsere größte Motivation sein, uns weiter zu verbessern.
10:59
Glücklicherweise hatte von den 123 Millionen vermittelten Übernachtungen nur ein Bruchteil je ein Problem. Denn Menschen vertrauten einander zu Recht. Wenn Vertrauen funktioniert, kann dabei Wunderbares entstehen.
11:18
Einer unserer Gäste machte Urlaub in Uruguay. Dort erlitt er einen Herzinfarkt. Sein Gastgeber fuhr ihn ins Krankenhaus. Er spendete sogar Blut für die nötige Operation! Hier ist seine Beurteilung:
11:32
(Lachen)
11:40
"Perfektes Haus für Reisende, die aufgrund sitzender Tätigkeiten zu Herzinfarkten neigen.
11:45
(Lachen)
11:47
Die Gegend ist wunderschön und mit ausreichend Krankenhäusern ausgestattet.
11:51
(Lachen)
11:53
Javier und Alejandra sind echte Schutzengel, die einem das Leben retten, obwohl sie einen gar nicht richtig kennen. Sie fahren einen im eigenen Auto ins Krankenhaus, wenn man stirbt, und warten, während man einen Bypass bekommt. Weil sie nicht wollen, dass man sich einsam fühlt, bringen sie Bücher vorbei. Sie lassen einen sogar länger bleiben, ohne die Extra-Nächte zu berechnen. Ich kann es nur empfehlen!"
12:17
(Applaus)
12:25
So läuft natürlich nicht jeder Aufenthalt ab. Aber diese Beziehungen hinter der reinen Geldtransaktion sind genau das, was man mit der Share Economy erreichen will.
12:34
Als ich zum ersten Mal über diesen Begriff stolperte, fragte ich mich: Wie passt der Gedanke des Teilens mit Geldtransaktionen zusammen? Es geht hier um einen wirtschaftlichen Handel. Aber es jetzt einfach nur "Mietindustrie" zu nennen, wird der Sache nicht gerecht. Share Economy beschreibt einen Handel, der menschliche Beziehungen verspricht. Menschen legen einen Teil von sich offen, und das ändert alles.
13:02
Wenn man heutzutage verreist, ist das mit Fast Food zu vergleichen. Es ist effizient und verlässlich, aber dafür weniger authentisch. Was wäre jedoch, wenn Reisen ein reichhaltiges Buffet aus lokalen Eindrücken wäre? Was wäre, wenn an jedem Ort, den man besucht, eine Gruppe dort Ansässiger darauf warten würde, einen gründlich abzufüllen und einem bei einer Kneipentour Viertel zu zeigen, von denen man noch nie gehört hat; oder wenn man Kochen von einem Fünf-Sterne-Koch lernen könnte?
13:36
Heutzutage werden Wohnungen nach dem Prinzip von Privatsphäre gestaltet. Was wäre, wenn wir Wohnungen von Grund auf zum Miteinanderteilen gestalten würden? Wie würde das aussehen? Was wäre, wenn Städte den Gedanken vom gemeinsamen Teilhaben annehmen würden? Ich stelle mir Städte vor, die uns Gesellschaft und Beziehungen ermöglichen, statt Einsamkeit und Abschottung.
14:00
In Südkoreas Hauptstadt Seoul wurde dieses Projekt bereits begonnen. Viele Parkplätze, die der Regierung gehörten, wurden nun Anwohnern angeboten. Studenten, die auf der Suche nach einer Bleibe waren, wurden an Menschen vermittelt, deren Kinder ausgezogen waren. Es wurden Inkubatorprogramme gestartet, um neue Start-ups in der Share Economy finanzieren zu können.
14:23
Über unsere Plattform allein werden heute Nacht 785 000 Menschen in 191 Ländern zu Gast bei einem Fremden oder selbst Gastgeber sein. Die Idee scheint also nicht so verrückt zu sein, wie es uns beigebracht wurde.
14:50
Wir haben das Rad nicht neu erfunden. Gastfreundlichkeit gab es auch vorher schon. Es gab vor uns schon ähnliche Websites. Warum also hat gerade unsere funktioniert? Abgesehen von Glück und Timing merkten wir, dass man mit den Bestandteilen des Vertrauens das richtige Design finden kann. Design kann uns helfen, tiefverwurzelte Vorurteile zu überwinden. Ich finde das verblüffend, geradezu überwältigend. Ich muss jedesmal darüber nachdenken, wenn ein roter Mazda an mir vorbei fährt.
15:32
Wir wissen natürlich, dass Design nicht jedes Problem lösen kann. Aber wenn es uns helfen konnte, wenn es diesen großen Einfluss hatte, frage ich mich, wofür wir Design demnächst nutzen können.
15:51
Danke.
15:52
(Applaus)